Folge 8 - Wie du es schaffen kannst, endlich ohne schlechtes Gewissen NEIN zu sagen

Shownotes

Wer kennt das nicht, dass man sich nur für die anderen aufopfert, ohne dabei auf sich selbst zu achten? Und selbst wir erkennen, dass wir vom vielen Tun für die anderen schon erschöpft sind, schaffen wir es oftmals nicht, ohne schlechtes Gewissen NEIN zu sagen. In dieser Folge zeige ich dir ein paar Schritte, wie du es schaffen kannst.

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Folge 8 – Wie du es schaffen kannst, endlich ohne schlechtes Gewissen NEIN zu sagen

Schön, ma ich freu mich, dass du mich auch heute wieder in deine Ohren lässt.

Erstmal möchte ich sagen, dass ich ja aus eigener Erfahrung und durch viele Gespräche mit hochsensiblen Klientinnen weiß, wie belastend und überfordernd das Leben als hochsensibler Scanner sein kann. Nicht nur durch den Stress, den wir durch die Reizüberflutung und intensivere emotionale Verarbeitung erleben, auch der Stress dem wir durch das People Pleasing, also dieses Harmoniestreben, das wir teilweise sehr intensiv praktizieren. Aber auch der Stress, dem wir durch das Leben als Scanner mit den vielen Interessen und den irgendwie nie ausreichend erscheinenden Zeitressourcen ausgesetzt sind, ist anstrengend. Ich finde es zwar die meiste Zeit wirklich cool, für so viele Ideen und Interessen offen zu sein, aber ich bin ganz ehrlich, manchmal bin ich mir selbst auch direkt ein wenig zu anstrengend. Hahah..

Deshalb finde ich bzw. höre das auch oft, dass es wirklich schön wäre, wenn man als hochsensible Scannerfrau sich ein bisschen ein dickeres Fell zulegen könnte. In der Fachsprache nennt man das auch Resilienz oder Widerstandskraft.

Deshalb möchte ich mit dir heute wieder mal einen kleinen Schritt in diese Richtung gehen und mit dir über ein Thema sprechen, dass mich wirklich schon sehr viele meiner Klientinnen gefragt haben. Nämlich, wie sie es schaffen können, ohne schlechtes Gewissen NEIN zu sagen.

Kurz möchte ich aber vorher von diesem wundervollen letzten Wochenende auf der Burg Clam erzählen, dass mein Mann und ich da erleben durften und auf diesem Weg nochmals ganz herzlichen Dank an das Team vom PODKASTL – DEM Förderverein für Entwicklung, Volksbildung und Kultur im Mostviertel, dem wir diesen Abend zu verdanken haben. Denn gerade an diesem Wochenende ist mir zum Thema NEIN SAGEN nochmal so richtig bewusst geworden.

Und rückblickend war eigentlich der Refrain eines Liedes von Herbert Grönemeyer ein bisschen mitschuld daran, dass ich mich heute gleich diesem Thema widmen wollte.

Denn darin ist mir ein Wort begegnet, das solche wunderbare Gefühlsmomente am treffendsten beschreibt.

...und du denkst, dein Herz schwappt dir über, fühlst dich vom Sentiment überschwemmt, es sind die einzigartigen tausendstel Momente, das ist, was man Sekundenglück nennt ....

Also für mich ist ja Musik schon seit jeher etwas Besonderes. Als ich klein war, habe ich gesungen und zu jeder Fernsehshow getanzt. Und wenn mein Vater mit der steirischen „Quetschn“ gespielt hat, habe ich mit 5 Jahren schon lautstark mit ihm mitgesungen. Das hat sich zum Glück ....für meine Umwelt ja ein bisschen verändert, aber ich singe für mich noch immer gerne und fühle Musik auf eine besondere tiefe Art und Weise. Das Schöne ist, dass das mein Mann genauso empfindet und wir auch einen ähnlichen Musikgeschmack haben, deshalb besuchen wir seit einigen Jahren jährlich immer ein paar Konzerte oder Musicals, die uns gefallen.

Und das sind immer ganz besondere Erlebnisse. Auch meine Klientinnen erzählen mir oft davon, dass sie z. B. Musik oder Kunst ganz besonders berührt. Dabei gehen die Geschmäcker natürlich auseinander. Ich würde sagen, bei mir ist das ziemlich vielfältig. Und es ist auch komplett egal, was jedem gefällt.

Aber wenn du das Gefühl kennst, wenn du bei einem Konzert bist und dein Körper, wenn der erste Ton beginnt, innerlich den Rhythmus spürt und fast wie von selbst sich zu bewegen beginnt und du mittanzen oder mitsingen willst, dann weißt du, was ich meine.

Und ich kann dir sagen, es war einfach unglaublich.

Ich stand Hand in Hand mit meinem Herzensmenschen auf dieser Wiese vor der Bühne, dahinter diese Traumkulisse der Burg Clam und Herbert Grönemeyer hat als erstes ein Lied angestimmt, das ich persönlich nicht kannte.

Das Wetter war fantastisch, die Menge tobte und die ersten Töne dieser für mich unbekannten Melodie erklangen und kennst du das, wow, ich bekam Gänsehaut und eine warme wohlige Welle durchflutete meinen ganzen Körper.

Das war ein so purer Glücksmoment, der mir eine Träne in den Augenwinkel beschert hat und bei dem ich einfach nur unendlich dankbar war.

Ja, ma, ich bin noch immer so geflasht von dem ganzen Wochenende, so dass ich jetzt doch endlich mal zu meinem eigentlichen Thema kommen sollte.

Du wirst dich jetzt vielleicht fragen, was das alles mit dem Thema NEIN SAGEN zu tun haben soll.

Naja, erstens, wenn du mich schon ein bisschen kennst, weißt du, dass ich gerne alles in Persönliches packe.

Und zweitens, weil ich möchte, dass du mal darüber nachdenkst, wann du das letzte Mal so einen ganz persönlichen Glücksmoment erlebt hast?

Das muss gar kein großes Ereignis gewesen sein, sondern das kann auch nur der genüsslich gelöffelte Milchschaum vom Cappuccino gewesen sein, das aufkeimende Glücksgefühl, wenn sich dein Kind, dein Partner oder deine Partnerin wohlig in deine Arme gekuschelt hat, der heftig wedelnde und vor Freude ausflippende Hund, wenn du nachhause kommst oder ein schöner Moment, wenn du dich in der Natur aufgehalten hast. Es ist wirklich ganz egal.

Erinnerst du dich?

Oder bist du so in deinem Hamsterrad von Verpflichtungen gefangen, dass du dich gar nicht mehr daran erinnern kannst?

Bist du vielleicht so auf das Glück und Wohlergehen der anderen in deiner Umgebung fixiert, dass du auf deine eigenen Glücksmomente vergisst oder sie gar nicht wahrnimmst?

Kennen dich die anderen vielleicht sowieso nur, als eine, die immer JA sagt?

Und jetzt kommen wir schön langsam zum Punkt.

Sagst du vielleicht, ach, ich kann ja nicht NEIN sagen? Oder traust du dich vielleicht nicht, weil du Angst vor der Reaktion hast, andere zu enttäuschen oder als Egoistin dazustehen?

Wenn ja, dann kann ich dir sagen, dass auch ich das sehr gut kenne und du mit diesen Gedanken nicht alleine bist.

Vielen Menschen geht es so, vor allem Frauen. Es gibt viele, die mir dann ganz stolz davon erzählen und wie normal das für sie ist, dass sie sich für die Familie, Freunde und Beruf aufopfern und nebenbei aber nicht wissen, was sie die ganze Zeit so stresst und überfordert.

Und genau da liegt der Hund begraben.

Wie ich ja letztes Mal schon gesagt habe, geht es nicht um die normale Hilfsbereitschaft oder oder auch die nachvollziehbare Freude über Anerkennung von Dritter. Auch geht es nicht darum, zur Egoistin zu mutieren (das war übrigens auch einer meiner größten Ängste), nur mehr seinen eigenen Willen durchzusetzen und niemand mehr zu unterstützen oder plötzlich um jeden Preis nur mehr an sich selbst zu denken.

Nein, es geht um die Balance, und zwar eine gesunde Balance vom Geben und Nehmen.

Deshalb möchte ich dir auch gleich wieder mal ein paar Fragen stellen:

Wie schaut das denn bei dir aus?

Hast du das Gefühl, dass dein Geben und Nehmen in einem gesunden Verhältnis steht?

Gibt es neben den Dingen, die du gefühlt tun musst, auch etwas, was du vielleicht willst oder möchtest?

Wenn ja, nimmst du dir dafür genügend Zeit oder zumindest ein minimales Zeitfenster täglich dafür?

Überlege mal: Nimm 10 Situationen, in denen es darum geht, deine eigenen Kräfte in Aufgaben bzw. andere Menschen zu stecken oder in dich selbst: In wie vielen Fällen entscheidest du zugunsten der anderen Menschen?

Ja, und dann noch: Wie lange sagst du dir schon „Wenn das alles vorbei ist, dann schaue ich wieder mehr auf mich.“ oder „Wenn die Kinder groß sind, dann tun wir endlich nur mehr, was uns Spaß macht.“ oder „Wenn ich in Pension bin, dann erfülle ich mir diesen oder jenen Traum.“ Und wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass nach der einen Sache gleich wieder eine nächste selbst auferlegte Verpflichtung für die anderen kommt.

Ich erlebe das jetzt wirklich sehr oft bei Menschen in meinem Umfeld, die in Altersteilzeit oder in Pension sind.

Die Hauptaufgabe besteht darin, dass sie sich ihren Enkeln widmen oder bei der Baustelle der Kinder mithelfen usw. Wenn ich sie dann frage, ob sie für sich persönlich selbst auch was tun, dann komm meistens nur die Antwort: „Nein, ich kann meine Kinder doch nicht hängen lassen, dafür hab ich keine Zeit und ich tu das ja e gern.“

Was sie leider dabei vollkommen außer acht lassen ist, dass es dieses sichtbare „Kümmern“ auch mit sehr vielen Denk- und Organisationsaufgaben im Alltag verbunden ist. Du kümmerst dich ja nicht nur um die Enkelkinder, du hast ja auch alle Termine von ihnen im Kopf, koordinierst ihre Schlafens- und Essenszeiten und denkst dabei noch an viele andere Kleinigkeiten. Dein Mental Load und damit auch dein Stresslevel sind dauerhaft hoch. Und weil du dir wahrscheinlich auch ungerne helfen lässt (kenn ich auch zu gut), bittest du nicht um Hilfe und bekommst auch keine Entlastung. D.h. dein Stresslevel fährt nochmal hoch.

Zusätzlich ist es ein natürlicher Prozess, dass wir wenn man unter Stress stehen auch geizig werden. Aber nicht im finanziellen Sinne, sondern mit unserer Zeit. Du kennst dass sicher auch: wenn du nach einem anstrengenden Tag nachhause kommst, hast du dich vielleicht schon gefreut, dich danach noch ein bisschen zu bewegen, deinem Hobby nachzugehen oder dich mit einer lieben Freundin zu treffen. Aber im Endeffekt sparst du dir den Aufwand, weil du keine Energie mehr dazu hast. Du sparst also bei den Dingen, die dir guttun würden.

Nach der Ressourcenbewahrungstheorie ergeben sich daraus sogenannte Verlustspiralen.

D.h. es ist nicht unser Energieniveau, das von Haus aus einfach nur niedrig ist, es sind die Dinge, die wir jeden Tag für andere erfüllen und die Menschen, denen wir es jeden Tag recht machen wollen, die uns wahnsinnig erschöpfen. Wir fühlen uns oftmals ausgelaugt und wissen gar nicht warum.

Der Grund ist, dass wir einfach zu wenig dafür tun, dass unsere Ressourcenspeicher sich wieder auffüllen. Wir zahlen einfach zu wenig in unsere Gewinnspiralen ein, d. h. trotz mehrfachen Belastungen investieren wir keine Zeit in Dinge, die uns erfüllen, die uns Freude und Vergnügen bereiten. Wir übergehen permanent notwendige Regenerationssignale und vernachlässigen uns selbst. Deshalb habe ich dir am Anfang auch von den Glücksmomenten erzählt, denn diese kleinen Oasen sind richtige Energiekraftwerke für die Seele, von denen man sehr lange zehren kann.

Deshalb frage ich meine Klientinnen auch immer, wenn sie mir erzählen, dass sie gestresst sind: „Was macht dir Freude?“ „Wann hast du das letzte Mal so richtig tiefes Glück empfunden?“ und „Wie oft holst du dir das in dein Leben und wenn es nicht so oft ist, wie könntest du es schaffen, das kleine Sekundenglück in dein Leben zu holen.“

Erst vor kurzem habe ich eine liebe Freundin von mir beobachtet. Sie ist jetzt in Altersteilzeit und kümmerst sich auch sehr oft um ihre vier Enkelkinder. Als wir erst kürzlich bei einer Feier waren, hat sie sich, obwohl alle Eltern der Kinder anwesend waren, fast alleine um die Enkel gekümmert. Und auch wenn sie sich mal an den Tisch gesetzt hat und eigentlich mit jemanden plaudern wollte, war sie nur halb anwesend, weil sie daneben immer auf der Hut war, dass es den Enkeln an nichts fehlt. .....

Wow

Ja, ich habe sie eine Zeit lang beobachtet und es war Wahnsinn. Sie zeigte mustermäßig an einem Abend alle vier Verhaltenstendenzen von People Pleasern, die ich inder letzten Folge angesprochen habe.

Nämlich die Überanpassung, nämlich, in dem sie den Eltern eigentlich vorgegriffen hat und genauso reagiert hat, wie sie meinte, dass die es von ihr erwarten würden.

Dann die Überkompensation, sie wollte, dass alles perfekt und fehlerlos abläuft und die Kinder niemanden stören oder laut sind.

Auch diese Selbstaufopferung war deutlich zu spüren, indem sie nur an die anderen um sie herum dachte und sie um deren Anliegen kümmerte und niemals NEIN sagte.

Und auch die Auflösung ist bei ihr deutlich spürbar, weil sie teilweise gar nicht mehr sagen kann, was eigentlich ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse in dieser Situation waren bzw. sind und jedem Konflikt dadurch vorbeugen möchte.

Und verstehe mich bitte nicht falsch, ich verurteile nicht, wenn sich Menschen gegenseitig unterstützen, und ich tue das selbst auch sehr gerne und gehe dabei auch manchmal über meine Grenzen.

Es war ihre Haltung und ihre müden Augen, die mich stutzig gemacht hat, denn ich erkannte ganz klar, wie gestresst, müde und erschöpft sie eigentlich war und trotzdem zu allem lächelte und JA sagte.

Deshalb stell dir doch bitte mal die Frage, welche positiven Auswirkungen hätte es auf dich, deine Gesundheit, deine Arbeit oder deine Beziehung, wenn du öfter mal zu etwas NEIN sagen würdest?

Schauen wir einmal kurz zurück, wie das alles so entstehen kann, denn wir wachsen in diese Pleasingmuster ja mit der Zeit erst rein.

Bei unserer Geburt sind wir zunächst vollkommen frei. Wir können unverblümt „Ich-Sein“. Als Neugeborene zeigen wir unsere Bedürfnisse noch ganz frei, denn wir brauchen ja die wohlwollende Zuwendung und Aufmerksamkeit der anderen Menschen. Wir weinen, wenn wir was brauchen, wenn uns zu warm oder zu kalt ist, wenn uns etwa weh tut oder wenn wir uns alleine fühlen. Wir zeigen ganz ohne Filter unsere psychologischen Grundbedürfnisse nach Bindung und Lustgewinn und Unlustvermeidung. Und auch wenn Kinder dann sprechen können, sagen sie meist unverblümt, wenn sie noch ein zweites Eis wollen, weil das erste so lecker war oder wenn sie keine Lust auf einen Besuch bei der Erbtante haben, weil so dort so langweilig ist.

Die Muster entwickeln sich erst dann, je nachdem wie wir konditioniert worden sind. Sind wir belohnt worden, wenn wir unsere Bedürfnisse frei heraus gesagt haben oder sind wir eher gemaßregelt oder sogar beschämt worden? Wenn Gefühlsäußerungen von Kindern als unangebracht angesehen werden, dann hören Kinder auf, ihre Gefühle zu zeigen und mit ihnen verbunden zu sein. Sie wollen ja dazugehören und geliebt werden. Die Frage ist also:

Mit welchem Blick bist du angeschaut worden, welche Resonanz, welche Reaktionen hast du geerntet, wenn du dich mit deinen Gefühlen, Eigenheiten und Wünschen den anderen zugemutet hast?

Also ich kann dir sagen, dass ich als in der 1970er Jahren geborenes Mädchen ganz klar einem gewissen Rollenbild entsprechen musste. Als ich ganz klein war, habe ich meistens Kleider und Zöpfe getragen, durfte nicht auf Bäume klettern und mich auch nicht zu viel schmutzig machen, sonst wurde geschimpft.

Und glaub mir, ich als hochsensibles Kind, habe keinen sehr lauten Ton gebraucht, damit ich zum Heulen begann. Ich nahm sogar missbilligende Blicke als Ablehnung war, ich war wirklich sehr empfindsam. Und jetzt kann ich es dir ja sagen, aber das Schimpfen von meinen Eltern ging mir immer durch Mark und Bein. Es fühlte sich so richtig schlimm und schmerzhaft an.

Es wurde also von mir erwartet, dass ich brav und höflich war und gute Noten nachhause brachte. Leider hatte ich kein gutes Verhältnis zu meiner Stiefmutter, deshalb hat es mir extrem gefallen, als ich damals meinen heutige Schwiegermutter kennengelernt habe. Sie verkörperte plötzlich all das, was meine Mutter nicht war und natürlich wollte ich ihr gefallen. Auch in den Arbeitsstellen, in denen ich gearbeitet habe, überall wollte ich gefallen und ich hatte ja auch den Ruf, so „lieb“ zu sein, das hatte ich zuvor in dieser Form nicht gekannt.

Und natürlich hat mich das auch wieder konditioniert, denn ich wollte ja niemanden enttäuschen oder egoistisch sein.

Ich habe mir dann oft auch zusätzlich Arbeit oder Gefallen für andere aufgebürdet, damit ich das alles sogar übererfülle. Ja, was passiert dann natürlich bei den anderen.

Sie erwarten diese Reaktionen ja schon fast automatisch, dass du ja sagst und ihnen nichts abschlägst. Das Verpflichtungsrad nimmt damit so richtig schön Fahrt auf.

„Da kann man doch nicht nein sagen,“ ist so ein typischer Satz, der vereinzelt auch gut passt, aber nicht zu Überhand nehmen darf.

Wie gesagt, war das bei mir nicht anders. Bedenklich wurde es erst, als ich irgendwie das Gefühl bekam, dass für mich nichts mehr übrig war, eine Zeit, keinen Glücksmomente und nichts, was sie nur für mich gut anfühlte. Und als ich teilweise gar nicht mehr wirklich wusste, was jetzt eigentlich meine Wünsche und Bedürfnisse waren. Ich bin teilweise sogar irgendwie verschmolzen mit meiner Umwelt. Ich habe dir letztens auch schon mal erzählt, dass ich nicht mehr wusste, wo meine Grenzen waren. Was ist jetzt meins und was ist deins? Genauso ging es mir bei meinen eigenen Bedürfnissen.

Kennst du das? Mir fiel das damals in einer ganz banalen Situation einmal auf.

Nämlich als wir nach längerer Zeit mal wieder mit mehreren Leuten Essen gingen. Ich wusste plötzlich gar nicht, was ich jetzt wollte oder worauf ich Lust hatte. Ich schaute zuerst bei den anderen, was die bestellten und hab dann erst in die Karte geschaut. Im Nachhinein habe ich mir dann gedacht, „warum weiß ich nicht mal, was ich essen will“.

Ja, und deshalb ist es wirklich essenziell, dass du lernst, gut auf dich zu schauen, deine Grenzen einzufordern und das NEIN sagen praktizierst, ohne schlechtes Gewissen.

Dazu ein Zitat von Ludwig Wittgenstein:

„Die Grenzen meiner Sprache bedeutet die Grenzen meiner Welt.“

Denn oftmals ist es ja so, die anderen sind so gewohnt, dass wir zu allem JA sagen, dass sie oftmals gar nicht wissen, dass unsere Grenzen bereits überschritten wurden. Wir haben ja nichts gesagt.

Wenn wir uns also entscheiden, dass wir es nicht mehr nur allen recht machen wollen, sondern auch auf unsere eigenen Ressourcen und Grenzen zu achten, müssen wir natürlich auch anders kommunizieren.

Du wirst dich jetzt vielleicht fragen: wie genau so das gehen, ohne dass ich jemanden vor den Kopf stoße? Oder was mache ich, wenn mein Gegenüber nicht so reagiert, wie ich es mir wünsche?

Wenn du ein People Pleaser bist, wirst du vielleicht jetzt auch von dir behaupten, dass du nicht nein sagen kannst. Aber das stimmt mit Sicherheit nicht, das ist ein Mythos.

Weil es mit Sicherheit schon mal in einer Situation warst, wo du alles stehen und liegen gelassen hast, z. B. um dein Kind von der Schule zu holen, weil es sich verletzt hat oder weil einem dir wichtigen Menschen etwas passiert ist und weil du selbst krank oder verletzt warst, und du deshalb alle geplanten Erwartungen nicht mehr erfüllen konntest. Du hattest eine klare Priorität.

Jedes Mal, wenn du zu jemandem anderen JA sagst. Sagst du zu irgendetwas anderem NEIN und meistens ist es zu dir selbst, deiner Gesundheit, etwas was dich erfüllen würde, was dir Spaß machen würde, was dir guttun würde oder was deinen Energiehaushalt wieder auffüllen würde. Du nimmst dir damit auch die Chance auf ein kleines Sekundenglück

Ein Tool, das dir dabei hilft, wertschätzend und klar NEIN zu sagen, ist auch das INGA-Prinzip:

Und zwar steht INGA als Akronym für

I – Interesse signalisieren

N – Nein sagen

G – Grund nennen

A – Alternative aufzeigen

Und als letzte Übung:

Denke an eine Situation aus deinem Privat- und Arbeitsleben, bei der du zuletzt JA gesagt hast, obwohl du eigentlich NEIN sagen wolltest.

Und dann entwickle für beide Situationen Formulierungen nach dem INGA Prinzip. Schreib sie auf und lese sie dir täglich durch, damit du das Prinzip wirklich gut verinnerlichst.

Und zum Abschluss wieder mal ein Zitat, diesmal von George Eliot:

„Es ist niemals zu spät, die Person zu sein, die du hättest sein können.“

In diesem Sinne wünsche ich dir noch eine schöne Zeit. Bis zum nächsten Mal.

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